Frank Rost

Hamburger Morgenpost
20.Oktober 2011
Simon Braasch trifft Frank Rost in New York

So lebt Frank Rost in New York

Er ist ein gefragter Mann – die Qualität seiner Dates in New York dient als Beleg. Vergangene Woche erhielt Ex-HSV-Keeper Frank Rost Besuch von seinem früheren Sportchef Dietmar Beiersdorfer, diese Woche ist er mit seinem alten Bremer Spezi Willi Lemke verabredet. Zuvor nahm sich der Keeper der Red Bulls Zeit für die MOPO.

MOPO:

Sie leben seit drei Monaten im Land des Fast-Foods. Wie läuft’s denn so mit der Ernährung?

Frank Rost:

Man muss schon aufpassen. Es gibt an jeder Ecke Burger, Pizza Brezeln in allen Variationen – mit Wurst, mit Zimt. Die Leute hier sind hektisch und genauso schnell wird das Essen zu sich genommen. Man muss sich halt ein wenig zwingen, sich gesund zu ernähren.

MOPO:

Sie äußerten kürzlich, es sei schön, mal Ausländer zu sein. Wie funktioniert das Leben in den USA?

Frank Rost:

Es ist einfach zu verstehen – weil sich alles ums Geld dreht. Es ist auch keiner sauer, wenn du kein Geld hast. Dann geht halt nichts. Aber wenn du Geld hast, geht alles. Das ist Kapitalismus pur. Die Amerikaner akzeptieren es. Aber man merkt auch, dass sie wirtschaftliche Probleme haben.

MOPO:

Woran?

Frank Rost:

Gerade in New York, diese Straßen, das ist doch alles ziemlich alt. Aber das nimmt man so hin. Es wird nicht gemeckert, sondern halt ums Schlagloch herum gefahren (lacht).

MOPO:

Wo liegt der krasseste Unterschied zu Deutschland?

Frank Rost:

Dieses Hire-and-Fire-System. Es gibt keinen Kündigungsschutz. Es wagt hier keiner, die Regeln nicht einzuhalten ansonsten ist man von heute auf morgen gefeuert. Deshalb sind die Leute in den Staaten auch sehr flexibel.

MOPO:

Gefällt Ihnen dieses System?

Frank Rost:

Na ja, Kündigungsschutz wie bei uns ist schon schön. Aber den einen oder anderen, der bei uns nicht zufrieden ist, sollte man ruhig einmal hierher schicken. Das wäre eine Lehre fürs Leben.

MOPO:

New York ist die größte Touristen-Hochburg der Welt. Sind Sie an Ihren freien Tagen ständig auf Achse?

Frank Rost:

Um Gottes Willen! Wenn man das alles hier jeden Tag erlebt, nimmt man es irgendwann als selbstverständlich hin. Ist auch anstrengend. Immer dieser Verkehr, dazu der ständige Lärm …

MOPO:

Haben Sie schon alle Sehenswürdigkeiten durch?

Frank Rost:

Nein. Häufig musst du stundenlang warten und anstehen. Das muss ich mir nicht geben.

MOPO:

Wie steht es mit der sportlichen Sightseeing-Tour?

Frank Rost:

Da bin ich voll dabei!

MOPO:

Was ist Ihre Lieblingssportart?

Frank Rost:

Football, die Giants. Du kommst hier an Football nicht vorbei. In Europa hat es mich nicht interessiert, aber hier gehört es zur Kultur. Fünf, sechs Stunden vorm Spiel geht’s los, dann trifft man sich zum Grillen.

MOPO:

Wie sieht’s mit anderen Sportarten aus?

Frank Rost:

Die Basketballer streiken leider. Aber die Eishockey-Saison hat gerade begonnen. Und die Rangers werden hier Sportart-übergreifend von allen Teams am meisten geliebt! Die Yankees sind zwar das Marken- und Aushängeschild der Stadt, aber kaum ein richtiger New Yorker kann noch zum Baseball gehen, da die Preise für noch verfügbare Tickets erst bei 200 Dollar aufwärts beginnen, das ist brutal.

MOPO:

Welche Rolle spielen Ihre Red Bulls?

Frank Rost:

Soccer gilt immer noch als neumodische Sportart. Aber man registriert uns mittlerweile.

MOPO:

Wie reagieren die Fans auf Sie? Werden Sie erkannt?

Frank Rost:

Ja – von Touristen (lacht). Aber nach Autogrammen wird man hier nicht so oft gefragt. Die Leute stehen mehr auf Smalltalk.

MOPO:

Bei den Bulls gibt es nur zwei Spieler, die bekannter sind als Sie: Thierry Henry und Rafael Marquez.

Frank Rost:

In der MLS sind zwei Ausnahmespieler pro Verein erlaubt, die dann viel mehr verdienen als die anderen Spieler verdienen dürfen. Das fördert natürlich nicht den Teamgeist. Aber es hat auch einen Vorteil. Für die meisten Jungs ist es Fußball pur, weil es nicht um die dicken Verträge geht. Das bringt schon Spaß.

MOPO:

Aber die Nachteile des Systems überwiegen.

Frank Rost:

Ja. Weil es keinen Unterbau wie in Europa gibt. Die Liga diktiert das Geschäft. Kaum ein Klub hat Interesse daran, Spieler wirklich auszubilden - denn wenn man sie später verkauft, hält die MLS die Hand auf.

MOPO:

Zurzeit kämpfen Sie um den Einzug in die Playoffs - eine neue Erfahrung für Sie. Das ist schon schräg. Du kannst eine super Hauptrunde spielen – und am Ende hast du vielleicht nichts. Aber die Amerikaner lieben Endspiele, sie wollen das.

MOPO:

Welche Rolle spielt die Bundesliga in den USA?

Frank Rost:

Man kann die Spiele verfolgen. Aber die englische oder spanische Liga sind präsenter. Das hängt auch damit zusammen, dass Teams wie ManU hier regelmäßig Spiele machen. Die Bayern waren mal hier, die sind auch bekannt.

MOPO:

Wie verfolgen Sie den Triumphzug des Nationalteams? Macht Sie das als Deutscher im Ausland stolz?

Frank Rost:

Es ist schon sehr angenehm, wenn die Leute so positiv über Deutschland reden – auch hier.

MOPO:

Wird Deutschland Europameister?

Frank Rost:

Das hängt von der Tagesform ab. Vier, fünf Teams können es schaffen – wir gehören dazu.

MOPO:

Mario Götze ist Deutschlands neuer Superstar. Wie nehmen Sie ihn wahr? Der Hype ist nachvollziehbar – weil Mario herausragt. Nun muss man den Jungen darauf vorbereiten, was ihn erwartet. Nur ein Spieler mit einem starken Charakter, schafft es das alles was auf ihn einstürmt zu verarbeiten. Ich hoffe, dass er hat ein intaktes Umfeld hat.

MOPO:

Mal abgesehen von der neuen Generation um Götze - gibt es etwas, das Sie sich für den deutschen Fußball wünschen?

Frank Rost:

Dass man mal wieder weg kommt von dieser Gleichschaltung. Es würde mich freuen, wenn auch wieder mehr auf Spieler gesetzt wird, die vielleicht nicht ganz so stromlinienförmig daherkommen. Das macht den Fußball doch auch aus.

MOPO:

Gibt es in Deutschland zu wenige echte Typen?

Frank Rost:

Die meisten werden halt so gemanagt, dass sie sich diesem Fußball-Zirkus nur anpassen. Aber ich finde es gut, wenn einer als 18-Jähriger auch mal über die Stränge schlägt und daraus lernt. Wenn einer gar keine Fehler macht, tja, dann liegt das entweder daran, dass er insgesamt zu wenig macht. Oder er ist Jesus.

MOPO:

Sie gelten fraglos als Typ. Wie lange werden Sie noch spielen?

Frank Rost:

Mir wurden hier eineinhalb Jahre angeboten. Aber ich wollte mir das hier erst mal ein paar Monate angucken. Bis jetzt ist das eine schöne Erfahrung. Kann sein, dass ich bleibe, kann auch sein, dass ich aufhöre - oder nochmal was Neues mache.

MOPO:

Womöglich in Deutschland?

Frank Rost:

Das glaube ich weniger.

MOPO:

Ist es auch denkbar, dass Sie mit 40 noch im Tor stehen?

Frank Rost:

Grundsätzlich kann ich mir alles vorstellen. Na gut – nicht alles!

MOPO:

Sie haben betont, dass Sie irgendwann zum HSV zurückkehren möchten – in anderer Position. Sie haben auch für Bremen und Schalke gespielt. Woher rührt diese tiefe Zuneigung zum HSV?

Frank Rost:

Meine Familie und ich haben uns ganz bewusst für Hamburg als unseren Lebensmittelpunkt entschieden. Es gefällt uns einfach dort. Und ich brauche einen Verein, mit dem ich mich identifizieren kann. Das ist beim HSV so aber natürlich auch bei Schalke und Bremen. Nur Geld zu verdienen, das entspricht nicht meinem Selbstverständnis. Die emotionale Beziehung zu dem Verein bei dem man beschäftigt ist, wirkt sich meiner Meinung nach sehr positiv aus.

MOPO:

Innerhalb des HSV sind Ihre Worte teilweise gefürchtet. Sie gelten als extrem kritischer Geist.

Frank Rost:

Es ist gut, dass ich das mal klarstellen darf. Ich bin sicher nicht der, der jedem sagen will, was er falsch macht. Ich kritisiere keine Personen. Aber heutzutage ist ja leider jede Aussage gleich Kritik. Und anscheinend besonders, wenn ich etwas sage. Auch bei Euch in der MOPO (lacht). Aber ich bin Mitglied des HSV! Und als solches beobachte ich den Verein. Und wenn mir jemand eine Frage zum HSV stellt, dann beantworte ich diese.

MOPO:

Machen Sie sich denn Sorgen?

Frank Rost:

Nein. Sorgen muss man sich nicht machen. Eine Stadt wie Hamburg wird immer Lösungen finden. Für den HSV gibt es immer einen Weg zurück zum Erfolg.

MOPO:

Schmerzt die Trennung vom HSV in gewisser Weise noch?

Frank Rost:

Nein, warum? Es war ja eine gemeinsame Entscheidung. Wir haben uns einvernehmlich getrennt.

MOPO:

Aber die Verabschiedung von Spielern wie Ihnen, Piotr Trochowski oder Joris Mathijsen war vielleicht nicht das Gelbe vom Ei.

Frank Rost:

Wenn Sie das sagen. Ich hatte für mein Empfinden trotzdem einen guten Abschied.

MOPO:

…weil Sie von den Fans gefeiert wurden.

Frank Rost:

Kann man so sehen. Zumal das letzte Jahr wirklich Energie geraubt hat. Was haben wir nicht alles um die Ohren bekommen. Klar, dafür erhält man quasi ein Schmerzensgeld. Aber manchmal brauchst es schon einen dicken Panzer.

MOPO:

Viele Anhänger wünschten Sie im Tor des HSV zurück. Das fasse ich als Kompliment auf. Aber das heißt ja nicht, dass es ohne mich beim HSV nicht positiv weitergeht. Der HSV ist ein schlummernder Riese. Die Stadt verdient mehr als nur einen Durchschnittsverein. Das Potenzial ist riesig.

MOPO:

Was halten Sie denn vom neuen Weg des HSV?

Frank Rost:

Ich bin zu weit weg, um das wirklich beurteilen zu können. Es gibt halt immer wieder Umbrüche. Ich bin 2007 auch im Umbruch gekommen, da war der HSV Schlusslicht. Du bekommst in der Bundesliga wenig Zeit, das ist das Problem. Es kann sich innerhalb weniger Wochen auch wieder alles drehen.

MOPO:

Ihre eigene Zukunft in der Branche sehen Sie als Sportchef. Wie schnell kann das gehen?

Frank Rost:

Das weiß man nie. Zudem ist es auch klar, dass noch ein langer Weg vor mir liegt, bis ich mir alle notwendigen Fähigkeiten angeeignet habe, um im Fußballgeschäft auf höchstem Niveau zu bestehen. Das ist nicht anders als in meinem jetzigen Job. Als Torhüter musste ich mir auch die Grundlagen hart erarbeiten und täglich an meiner Form arbeiten. Mein Aufenthalt in New York, der Erwerb des A-Scheins, und auch mein Studium sind Bestandteil dieser Grundlagenarbeit. Und natürlich braucht es auch immer etwas Glück und Menschen, die an dich Glauben.

MOPO:

Sie hatten in Deutschland vier Charakterköpfe als Sportchefs: Willi Lemke und Klaus Allofs in Bremen, Rudi Assauer auf Schalke und Dietmar Beiersdorfer beim HSV. Haben Sie sich etwas abgeschaut?

Frank Rost:

Klar. Ich habe viel gelernt – manches würde ich übernehmen – einiges vielleicht anders machen.

MOPO:

Was hat Ihnen bei Ihren Lehrmeistern am meisten imponiert?

Frank Rost:

An Rudi Assauer sein Herzblut! Mehr geht kaum. Er hat nicht umsonst den Namen Mr. Schalke. Didi Beiersdorfers größte Fähigkeit ist es, zu integrieren. Und er hat ein gutes Näschen für Spieler.

MOPO:

Klaus Allofs …

Frank Rost:

...ist der personifizierte Fußball-Fachmann, ein Fußballer durch und durch, dazu auch wirtschaftlich kompetent. Und Willi Lemke war der typische PR-Mann und Politiker, der sein Netzwerk hatte. Er war damals schon mit Werder sehr innovativ (lacht).

MOPO:

Welche Philosophie schwebt Ihnen als Sportchef mal vor?

Frank Rost:

Diese Frage kann ich so einfach nicht beantworten. Eine Philosophie ist abhängig von unterschiedlichsten Faktoren – von Logik und Ethik aber auch vom jeweiligen Verein für den man arbeitet. Das wäre einfach zu komplex und jeder Versuch bliebe unvollständig. Eines ist aber klar – im Fußball solltest du die Spiele gewinnen – schön spielen allein reicht nicht.

MOPO:

Sie sind nach wie vor ein Mann der Ideale.

Frank Rost:

Das ist so. Ich bin zum Beispiel ein großer Fan der Nachhaltigkeit. Ich kann Leuten etwas abgewinnen, von denen man weiß, wo sie her kommen. Rudi Völler ist ein gutes Beispiel. Für mich steht Rudi für Werder und Leverkusen. Das gefällt mir besser als dieses sogeannte „Söldnertum“ – morgen da, übermorgen da. Ich bin froh, dass ich nur vier Profiklubs in meiner Vita stehen habe.

MOPO:

Ideale hin oder her – wenn Sie sich mit dem Frank Rost von vor 15 Jahren vergleichen: Was hat sich verändert?

Frank Rost:

Ich bin 15 Jahre älter geworden …

MOPO:

…stimmt!

Frank Rost:

Okay, ich bin zwar immer noch ein Dickkopf – aber vor 15 Jahren war ich ein richtig sturer Hund. Klar, manchen Fehler hätte ich gern nicht gemacht. Aber ich habe mal gesagt: Wenn du 300 Bundesligaspiele hast und all deine Sachen einigermaßen abbezahlt hast, ist alles gut. Das habe ich. Und obendrein sogar ein paar Spiele mehr.

MOPO:

Akzeptieren Sie es denn, dass Sie als schwierig gelten?

Frank Rost:

Was ist denn schwierig? Vielleicht bin ich manchmal nicht einfach. Aber Einfachsein ist für mich auch kein Kompliment. Dann bist du ja angepasst. Ich glaube, dass ich in all den Jahren gelernt habe, zu argumentieren. Es darf im Streit auch mal unsachlich werden - letztlich aber musst du zu den wesentlichen Dingen kommen. Das musste ich lernen.

MOPO:

Wollten Sie zu oft mit dem Kopf durch die Wand?

Frank Rost:

Vielleicht. Und ich bin auch oft in der Wand hängen geblieben. Aber es war ja mein eigener Kopf, der sich die Beulen abgeholt hat. Von daher ist alles gut.



Interviews

Hamburger Abendblatt
Magazin
Ausgabe 45/2009


Hamburger Morgenpost
Oktober 2011
Frank Rost in New York


Uwe Seeler Stiftung      Stiftung LesenIMPRESSUM